Frau Tendlau sel. A., 1826
Der Grabstein der Frau Tendlau (Zweiter von links).
Aufgrund einer Beschädigung ist der Vorname der Frau des Rabbiners Abraham Joseph Tendlau heute nicht mehr lesbar. Was zur Beschädigung des roten Sandsteins an dieser Stelle geführt hat, ist unbekannt. Der Grabstein der Frau des Rabbiners war wie fast alle Steine des Friedhofs nach 1945 in keinem guten Zustand. Er musste mit vielen anderen gesichert und neu aufgestellt werden. Viele Grabsteine weisen Beschädigungen auf, die durch Umstürzen, absichtlich oder durch fehlende Pflege des Friedhofs vor allem in der Zeit zwischen 1933 und 1945, verursacht worden sein können. Durch diese sowie witterungsbedingte Abplatzungen sind zahlreiche wichtige Informationen verloren gegangen.
Die Inschrift des Grabsteins der Frau des Rabbiners Tendlau ist deutlich umfänglicher als die auf älteren Steinen, die Frauen zuzuordnen sind. Einleitend wird auf die besondere Bedeutung ihres Mannes, Abraham Joseph Tendlau, für die Wiesbadener Gemeinde hingewiesen. Tendlau war Rabbiner, Gelehrter und Vorsteher des Gerichtshofs der Jüdischen Gemeinde. Der Gerichtshof (heute Schiedsgericht) entscheidet u.a. im Streitfall zwischen Mitgliedern. Der Vorsitz ist ein ehrenvolles Amt und setzt ein hohes Maß an Vertrauen aller Mitglieder voraus. Allgemein gilt, dass die Nennung des Vatersnamens oder des Namens des Ehemanns die wenigen sozialen Bezüge sind, die hebräische Inschriften herstellen. Es ist festzustellen, dass bei beinahe allen Grabsteinen auf dem Friedhof an der „Schönen Aussicht“ dem Namen, wie hier [Vorname] Tendlau, die Nennung des Geburtsorts folgt, sofern es sich nicht um Personen handelte, die in Wiesbaden geboren wurden oder hier lebten. Diese Abfolge von Informationen ist typisch für Inschriften auf jüdischen Grabsteinen.
Die Inschrift lässt weiter vermuten, dass neben ihrem Ehemann auch Frau Tendlau ein ehrenvolles Gemeindemitglied war. Mehrfach verwiesen wird vor allem auf ihre Wohltätigkeit.
Die Inschrift endet mit der üblichen Segensformel, dass ihre Seele im Bund (eigentlich Bündel) des Lebens eingebunden sein möge.
Hebräische Grabinschriften haben sich etwa im 8. Jahrhundert durchgesetzt. Zuvor war eine Inschrift in der Landessprache üblich. Bildliche Darstellungen lassen sich ab dem Mittelalter auf jüdischen Friedhöfen feststellen. Die Inschriften verfügen über eine feste Abfolge, stellen kaum soziale Bezüge her und nennen keine weltlichen Titel oder Berufsbezeichnungen, sofern sie nicht mit dem Kultus in Verbindung stehen. Die Einleitungsformel besagt stets „hier ist begraben“ oder „hier liegt geborgen“. Abwandlungen sind möglich. Es folgen Namensnennung, Eulogie und die Nennung des Sterbetags, manchmal auch der Tag der Beerdigung. Die Eulogie, ein oft kunstvolles hebräisches Totenlob, ist bei der Frau des Rabbiners Tendlau umfangreicher als bei anderen Steinen ausgeprägt.
Der Grabstein der Frau Tendlau befindet sich auf dem alten Teil des Friedhofs. Er steht in der Nähe des Hauptwegs. Deutlich ist die kreisrunde Beschädigung im oberen Teil des Grabsteins zu sehen, aufgrund der der Vorname der Frau Tendlau nicht überliefert ist.