Beschränkte Erwerbsmöglichkeiten
Wiesbadens wirtschaftliches Leben prägten im Mittelalter Handwerker, Gewerbetreibende sowie alle zum Badewesen zuzurechnenden Berufe. Die Stadt verfügte über alle Gewerbe und Handwerke, die für die Versorgung eines städtischen Gemeinwesens erforderlich waren. Für Juden, denen die Ausübung eines zunftmäßigen Gewerbes sowie die Beschäftigung im Ackerbau verboten war, war die kleine Land- und spätere Residenzstadt Wiesbaden von wenig Interesse. Ihren Lebensunterhalt mussten sie vor allem im Handel, als Zins- und Pfandleiher oder im Wechselgeschäft verdienen. Weder die Wiesbadener Gewerbe noch das Badewesen boten Jüdinnen und Juden Möglichkeiten, dauerhaft Einkünfte zu erzielen. 1329 wird erstmals ein ortsansässiger Jude erwähnt. Im 16. und 17. Jahrhundert lebten zwei bis vier, um 1750 etwa zehn bis 15 jüdische Familien hier. Dass nur so wenige Juden in Wiesbaden ansässig waren, liegt auch an den Ausweisungen zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges.
Jüdische Kurgäste kamen ab dem 16. Jahrhundert vor allem aus Frankfurt nach Wiesbaden. Für sie standen mehrere Badehäuser in der Stadt zur Verfügung. Gegen die Konzession eines weiteren jüdischen Badhauses wehrte sich der Wiesbadener Stadtrat 1770 erfolgreich. Den Juden hatte man nach einer Eingabe aus der Bürgerschaft zudem 1732 die Benutzung des Gemeinschaftsbadhauses versagt. Dies zeigt, dass man an der Ausnahmestellung der Juden gegenüber Christen festhalten wollte.
Eingeschränkt wurden auch die Zeiten, zu denen Juden auf Märkten einkaufen durften, sowie die Teilnahme jüdischer Einwohnerinnen, Einwohner und Gäste an gesellschaftlichen Ereignissen. Um dennoch jüdischen Kurgästen Unterhaltungsmöglichkeiten zum Zeitvertreib bieten zu können, erfolgte 1774 die Gründung eines jüdischen Kaffeehauses. Nur dort war es möglich, Glücksspiele zu veranstalten, von denen Juden bisher ausgeschlossen waren.
Verbot des Besuchs des Gemeinschaftsbadhauses 1732, Errichtung eines neuen jüdischen Badehauses 1770 vom Stadtrat verwehrt. In: Stadtarchiv Wiesbaden, WI 1, Nr. 222, S. 88-89. Neues Badehaus soll mehr Gäste als bereits bestehende Badehäuser „Zum Hirsch“ und „Zum Rebhuhn“ fassen.